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Von: Mario Giglio
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Der Halloween-Monat Oktober ist für viele Gruselfans die günstigste Gelegenheit, sich mit Horrorfilmen zu vergnügen. Einige der bemerkenswertesten Titel stammen aus Japan, wo es viel mehr zu entecken gibt, als verfluchte Videos und Kaiju-Monster.
Japan besitzt eine reiche Horrortradition voller Geister, mythologischer Figuren, die nichts Gutes im Schilde führen, und urbaner Schauermythen. Das spiegelt sich natürlich auch in der Filmindustrie des Landes wider, wo seit der Entstehung des Mediums Schrecken mit Lokalkolorit verbreitet wird, der oft viel bizarrer, melancholischer und vor allem ambivalenter ausfällt als Hollywood-Horror. Das ist auch der amerikanischen Traumfabrik Anfang des Jahrtausends aufgefallen, als jeder japanische Horrorstreifen, der nicht bei drei auf den Bäumen war, ein meist weniger erschreckendes US-Remake erhielt.
Heute konzentrieren wir uns aber auf die besten Horrorfilme aus dem Land der kabbelnden Riesenmonster und Geisterfrauen mit Tentakelhaaren. Wie schon bei Die besten Animefilme aller Zeiten gilt: Nur ein Film pro Regisseur - und wer doch lieber Anime-Horror sucht, schaut in unseren Artikel Die schaurigsten Horror-Animes aller Zeiten hinein.
Und welche J-Horror-Filme findet Ihr so richtig kowai?
Die besten japanischen Horrorfilme:
Eine Seite des Wahnsinns (1926)
Regie: Teinosuke Kinugasa
Einige der ersten japanischen Stummfilme waren Horrorfilme, wie etwa „Bake Jizo“ (Jizo der Geist) von 1898, der als allererstes, aber heute verschollenes Beispiel gilt. Ebenfalls 50 Jahre verschollen war „Kurutta Ippeiji“ („Eine Seite des Wahnsinns“), der erst in den 70er Jahren in einem Lagerhaus wiederentdeckt wurde. Der Film einer Avantgarde-Gruppe, der wie so viele japanische Genreproduktionen mit einem Bein im Arthouse steht. Erzählt wird mit eindringlichen Bildern die traurige Geschichte eines ehemaligen Seemanns (Masuo Inoue), der als Hausmeister in einer psychiatrischen Anstalt anheuert, um sich sich um seine Frau (Yoshie Nakagawa) zu kümmern, die versucht hat, das Kind zu ertränken. Heutzutage wird der Film hin und wieder mit Live-Musikbegleitung in Programmkinos gezeigt.
Godzilla (1954)
Regie: Ishirô Honda
Keine Liste über japanische Horrorfilme wäre komplett ohne Atomechse „Godzilla“, über die bisher 32 von Toho produzierte Filme existieren. Unangetastet bleibt der Einfluss des Originalfilms von Ishirô Honda, in welchem der damals noch keine zehn Jahre alte Schrecken der Atombombe allegorisch als Riesenmonster durch Japan stampft. Bei aller Bedeutungsschwere sollte aber nicht vergessen werden, dass „Godzilla“ vor allem ein Monster-Unterhaltungsfilm sein sollte. Eine Tatsache, der viel deutlicher in den zahlreichen Fortsetzungen zur Geltung kommt, in denen die japanische Kaiju-Ikone oft ganz horrorlos gegen ganze Monstermenagerien ins Duell geschickt wird.
Der letzte japanische Godzilla-Film, „Shin Godzilla“ (2016) von Regisseur Hideaki Anno (Neon Genesis Evangelion), wurde dann wieder sehr politisch, indem er die Inkompetenz der bürokratischen Regierung während der Fukushima-Atomkatastrophe anprangerte.
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Kwaidan (1964)
Regie: Masaki Kobayashi
Aus vier Erzählungen der Gruselgeschichtensammlung „Kwaidan - Seltsame Geschichten und Studien aus Japan“ von Lafcadio Hearn machte Regisseur Masaki Kobayashi einen preisgekrönten Anthologiefilm. Das erste Segment über einen verarmten Samurai, der in eine wohlhabende Familie einheiratet, nur um schließlich zu seiner armen Frau zurückzukehren, trägt den Titel „Kurokami“, was schwarzes Haar bedeutet - eines der Markenzeichen japanischer Horrors, mit dem so manche yûrei (Geisterfrau) Angst und Schrecken verbreitet hat. Die weiteren Segmente sind „Yukionna“ über die mythologischen Schneefrau, „Miminashi Hôichi no Hanashi“ (Die Geschichte vom ohrlosen Hôichi), in der ein Mönch von bösen Geistern aus dem Tempel gelockt wird, und „Chawan no Naka“ (In einer Teeschale) über eine gespenstische Vision im Heißgetränk. Klassischer Stoff in bildgewaltigem Gewand.
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House (1977)
Regie. Nobuhiko Obayashi
Regisseur Nobuhiko Obayashi kam ursprünglich aus dem Reklamebereich und hat mit unzähligen Spots die Ästhetik japanischer Werbung mitgeprägt. Laut eigener Aussage sollte auch sein experimenteller Horrorfilm „House“ (manchmal „Hausu“) Werbung sein - und zwar für das japanische Kino, dem in den 70er Jahren die Zuschauer wegblieben. Vermutlich ist deshalb dieser gewollt künstliche, reizüberflutende, musikalische Horrorspaß dabei herausgekommen, der eigentlich zu keinem Halloween fehlen darf. Sieben Schulmädchen, die schöne Oshare (Kimiko Ikegami), die schlaue Prof (Ai Matsubara), die musikbegabte Melody (Eriko Tanaka), die sportliche Kung Fu (Miki Jinbo), die nimmersatte Mac (Mieko Satô), die niedliche Sweet (Masayo Miyako) und Tagträumerin Fantasy (Kumiko Ôba), besuchen darin Oshares vampirische Tante (Yôko Minamida) im abgelegenen Spukhaus, das sie nach und nach verschlingt. Ein funky 70er-Jahre-Gemetzel über die Angst vor der am Ende der Jugend lauernden Häuslichkeit.
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Tetsuo: The Iron Man (1989)
Regie: Shinya Tsukamoto
Irgendwo zwischen den Davids Lynch und Cronenberg krebst Shinya Tsukamotos Cyberpunk-Bodyhorrorfilm „Tetsuo: The Iron Man“ herum. Ein surrealer Alptraum über einen Metallfetischisten (Tsukamoto selbst), einen Saralyman (Tomorowo Taguchi), einen Autounfall und eine silbrige Verwandlung. Teilweise manisch wie ein Musikvideo jener Zeit und mit einem dunklen Sinn für Humor versehen, besitzt dieser Film eine Energie und einen Drive, der einen in den Bann zieht und mitreißt. Nicht zuletzt aufgrund der nichts zurückhaltenden Debüt-Performance von Underground-Musiker Taguchi, der die transformierende Rolle noch einmal in der ebenfalls sehr guten Fortsetzung „Tetsuo II: Body Hammer“, die eher ein drei Remake in Farbe ist, zum Besten gab. Von „Tetsuo: The Bullet Man“ aus dem Jahr 2009 sollte man allerdings tunlichst die Finger lassen.
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Ring (1998)
Regie: Hideo Nakata
Das nach „Godzilla“ wohl prominenteste Horror-Export Japans ist das faszinierende, aber mittlerweile ebenso unübersichtliche „Ring“-Franchise. Die Geschichte über Brunnenmädchen Sadako und ihr verfluchtes VHS-Video, das nach sieben Tagen tötet, begann ironischerweise als Roman von Kôji Suzuki, der zunächst als TV-Film umgesetzt wurde. Hideo Nakatas interessantere Kinofassung zog schließlich das international erfolgreiche US-Remake („The Ring“) nach sich, in dessen Windschatten zahlreiche Hollywood-Versionen asiatischer Horrorfilme folgten. Ein gelungenes koreanisches Remake („The Ring Virus“), das sich näher an den Roman hält, existiert ebenfalls, aber an Nakatas gruseliges Fluchvideo kommt bisher niemand heran. Wer mehr über die Welt von „Ringu“ und die vielen verschiedenen Versionen und Zweige der Geschichte erfahren möchte, klickt sich in unsere alte Ring-Retrospektive.
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Audition (1999)
Regie: Takashi Miike
Das gruseligste an Regisseur Takashi Miike ist eigentlich, was für einen Film-Output der Mann hat. Von Arthouse-Filmen über Videospielverfilmungen und Manga-Adaptionen bis hin zu knallharten Gangsterstreifen hat er schon alles in mehrfacher Ausführung abgeliefert. Und natürlich viele, viele Horrorfilme. Mal formelhafter, wie das sehr von „Ring“ inspirierte „One Missed Call“, mal humorvoll, wie im Horror-Musical „The Happiness of the Katakuris“, und mal komplett verstörend wie in „Audition“, das auf einem Roman von Ryu Murakami basiert. Der Witwer Shigeharu (Ryô Ishibashi) gibt sich darin als Filmproduzent aus, um durch fingierte Castings eine neue Frau zu finden. Dabei verliebt er sich in die junge Asami (Eihi Shiina), die jedoch nicht diejenige ist, die sie vorgibt zu sein. Ein sich langsam aufbauender Thrill, dessen sadistisches Finale dadurch umso härter trifft. Kille, kille, kille!
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Pulse (2001)
Regie: Kiyoshi Kurosawa
Unter den „Ring“-verwandten Horrorfilmen mit Geistern und unheimlichen Fluchmechaniken ist „Pulse“ (Originaltitel „Kairo“, eigentlich Schaltkreis) von Horrorspezialist Kiyoshi Kurosawa vielleicht der gruseligste. Vielleicht weil hier absichtlich nicht ganz eindeutig ausgesprochen wird, was eigentlich vor sich geht. Menschen verschwinden und begehen Suizid, im Internet gehen gespenstige Dinge vor sich, überall lauern traurig anmutende Geister auf die übrig bleibende Bevölkerung, ein verbotener Raum ist mit rotem Band abgeklebt und das apokalyptische Ende lässt einen ganz schön trostlos zurück. Ein Meisterstück mit Atmosphäre so dicht, dass man sie in Flaschen abfüllen könnte.
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Suicide Club (2002)
Regie: Sion Sono
Aus einem ganz ähnlichen Holz wie „Pulse“ ist „Suicide Club“ vom ehemaligen Poeten Sion Sono geschnitzt, der damit beginnt, dass 54 Schulmädchen zu vergnügter Riverdance-Musik vor eine U-Bahn springen. Auch in seinem teils überzogenen, teils melancholischen Horrorfilm geht es in Wirklichkeit um Einsamkeit und urbane Entfremdung, nur dass in diesem Fall eine doppelbödige Mogelpackung verkauft wird. Es wird typischer J-Horror angetäuscht, der mit Fluchmechanik, schwarzen Gruselhaaren und kaum repräsentativem Trailer nach „Ring“-ähnlicher Kost aussieht. Stattdessen löst sich der Film über einen im Internet beheimateten Suizid-Kult als ambivalenter Kunstfilm und Dekonstruktion dieser Formel auf, womit wir wieder bei den avantgardistischen Ambitionen der japanischen Horrorregisseure wären. Dass Selbstmord in Japan nicht wirklich das zentrale Thema des Filmes ist, wird noch deutlicher durch die gelungene Fortsetzung „Noriko's Dinner Table“, die auf ganz andere Weise an die tatsächlichen Themen herangeht.
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Marebito (2004)
Wie, kein „Ju-On: The Curse“ mit in der Liste? Nein, denn Filmemacher Takashi Shimizu hat nach seinen „Grudge“-Filmen einen noch viel schaurigeren Streifen mit seinem Regiekollegen Shinya Tsukamoto („Tetsuo: The Iron Man“) in der Hauptrolle herausgebracht. In „Marebito“, das von Serial Experiments Lain-Drehbuchautor Chiaki Konaka mitgeschrieben wurde, erkundet ein zurückgezogen lebender Mann unterirdische Labyrinthe unter Tokio, nachdem er die Angst eines sich selbst tötenden Mannes im U-Bahnhof auf Video festgehalten hat. In den längst vergessenen Ruinen unter der Stadt macht er kurz darauf ein Mädchen (Tomomi Miyashita) ausfindig, das nicht spricht und mit Blut versorgt werden muss. Wie ein Verschwörungstheoretiker schwafelt der Mann von unterirdischen Wesen Namens Deros und unbegreiflichen Ideen wie aus einer Lovecraft-Geschichte, während wir seinen paranoiden Wahn durch seine Kamera und im dreckigen Video-Look des Filmes miterleben. H.P. wäre stolz.
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